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Roda Verheyen: Wer ist Deutschlands bekannteste Klima-Anwältin?

Roda Verheyen: Sie hält europäische Gerichte in Atem und zwingt Weltkonzerne zu nachhaltigem Handeln. Wer ist Deutschlands bekannteste Klima-Anwältin?

15.11.2023 • 09:33 Uhr

Roda Verheyen: Wer ist Deutschlands bekannteste Klima-Anwältin?

Ihre Gegner sind milliardenschwer und weltbekannt. Doch das hält die deutsche Klima-Anwältin Roda Verheyen nicht davon ab, für mehr Umweltschutz zu kämpfen. Die Dreifachmutter und Richterin des Hamburgischen Verfassungsgerichtes will Megakonzernen ihre Verantwortung in Bezug auf Klimaschutz aufzeigen und ein Umdenken in der Bundesrepublik einleiten – mit Erfolg. Dabei bewegt sie sich jedoch auf absolut unbekanntem Terrain. Denn das, was die Anwältin tut, hat vor ihr noch niemand gemacht. Besondere Bekanntheit erlangte Roda Verheyen mit ihrer Verfassungsklage im Jahr 2021, die mit dazu führte, dass das deutsche Klimaschutzgesetz vom Bundesverfassungsgericht als teilweise verfassungswidrig eingestuft wurde. Dazu später mehr.

Wer ist diese mutige Frau, die es mit riesigen Unternehmen aufnimmt und sich durchsetzt? Was konnte sie bisher erreichen und welche Pläne hat sie für die Zukunft? Was treibt die deutsche Rechtsanwältin an und warum wurde sie buchstäblich eine Anwältin des Klimas?

Was weckte in Roda Verheyen den Wunsch, sich für Klimaschutz zu engagieren?

Im Jahr 1992 liest Roda Verheyen in der Hamburger Staatsbibliothek den ersten Bericht des Weltklimarates IPCC – und das löste etwas in ihr aus. Schwarz auf Weiß stand dort geschrieben, dass die Welt „aus den Fugen geraten“ wird. Doch wie kann es sein, dass die meisten Menschen nichts unternehmen, sondern nur zuschauen? „Wie man so ruhig bleiben kann angesichts der erdrückenden Beweise, habe ich damals nicht verstanden und verstehe es heute nicht“, verrät Roda Verheyen gegenüber dem Anwaltsblatt.

Bereits mit 13 Jahren ist die junge Frau politisch aktiv. Während andere in ihrem Alter noch darüber nachdenken, was sie später mal werden wollen und welche Interessen sie haben, weiß Roda Verheyen mit Sicherheit: Sie will sich für mehr Klimaschutz einsetzen. Sie engagiert sich zunächst bei den Grünen, bei der Antifa und später, während ihres Jura-Studiums, im AStA. In einem Podcast in Der Spiegel verrät sie, dass sie nur Jura studiert hat, um danach ins Umweltrecht zu gehen, nicht wegen des Geldes.

Was folgte nach dem Jura-Studium?

Nach ihrem Studium nutzt Roda Verheyen ihr Wissen, um international für verschiedene Umweltverbände zu arbeiten. Sie promoviert sogar mit einer Arbeit zum Klimaschutzbericht und trägt seit dem einen Doktortitel. Im Jahr 2006 beginnt sie als Rechtsanwältin für eine Hamburger Kanzlei zu arbeiten – mit den Schwerpunkten Umweltrecht, Planungsrecht, Baurecht und Völkerrecht.

Welche Rolle spielt ihre Familie?

Bereits 2009 schreibt das Anwaltsblatt ein Porträt über Roda Verheyen. Zentral geht es dabei um die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und Familie. Mittlerweile sind ihre drei Kinder im Teenager-Alter und verstehen als junge Erwachsene bereits, was ihre Mutter so macht. Gerne hätte die engagierte Frau manchmal mehr Zeit für ihre Kinder gehabt, doch sie hat nie eine Entscheidung bereut: weder ihren ehrgeizigen Beruf, noch die Entscheidung Mutter zu werden. Für sie und ihren Mann, ein Lehrer, steht die Familie dennoch an erster Stelle. Roda Verheyen geht sogar so weit zu sagen: „Ich bin Anwältin meiner Kinder wegen geworden“.

„Natürlich habe ich einen Preis für die viele Arbeit gezahlt. Ich habe zu wenig Ferien gemacht. Und je mehr Verantwortung ich in der Kanzlei übernommen habe, als Partnerin, desto weniger war ich wirklich entspannt. […]

Die Familie kam und kommt für mich an erster Stelle. Und dann war da gleich die Arbeit. Mehr war dann aber auch wirklich nicht drin, sowas wie Hobbys zum Beispiel. […] Wir (sie und ihr Ehemann) haben uns oft die Klinke in die Hand gegeben, und natürlich haben die Kinder manchmal gefragt, warum ich erst um sieben und nicht schon um fünf nach Hause komme.“

Bewusstsein für Klimaschutz: Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Als Verheyen in jungen Jahren anfing sich für Klimaschutz zu engagieren, wurde sie von vielen nicht ernst genommen und belächelt. Das blieb auch im Berufsleben noch lange so. Doch seitdem hat sich einiges verändert.

„Vor 15 Jahren haben mich noch sehr viele Kolleginnen und Kollegen für völlig verrückt erklärt, als ich sie für den gemeinsamen juristischen Weg fürs Klima gewinnen wollte. Die Zeit der Skepsis ist vorbei“, versichert Roda Verheyen.

Sie erklärt, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung der Klimakrise in den letzten Jahren verändert hat. Jahr für Jahr und Klage für Klage – heute ist Roda Verheyen in einer starken Position und spürt auch eine gewisse Macht. Nicht nur, weil sie das Thema „Klimawandel“ schon vor 20 Jahren brisant fand, sondern auch weil sie heute als Anwältin nach ihrer Meinung diesbezüglich gefragt wird. Die Zeiten haben sich geändert. Der Klimawandel ist in vielen Bereichen der Gesellschaft endgültig angekommen.

Wie Roda Verheyen mit ihrem RWE-Prozess Rechtsgeschichte schrieb

Die Anwältin begann in ihrer Kanzlei, gemeinsam mit einem Netzwerk aus europäischen Juristen, Kohlekraftwerke zu beklagen. Das Ziel: Die Unternehmen dahinter sollen sich ihrer Mitverantwortung am Klimawandel bewusst werden und Betroffene bei Klimaschäden unterstützen bzw. Pläne für eine nachhaltigere Zukunft entwickeln und danach handeln. Es klingt nach „David gegen Goliath“, doch deutschlandweit ist Roda Verheyen mit ihrem Vorgehen erfolgreich.

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Die Juristen wissen, dass sie ihre rechtlichen Möglichkeiten auch auf internationaler Ebene ausweiten können. Die Maxime lautet: Mal schauen, wie weit sie kommen. Und so begann ein Experiment, das so noch nie zuvor jemand gewagt hatte:

Roda Verheyen hat einen neuen Mandanten – den peruanischen Bauern und Bergführer Saúl Luciano Lliuya. Er ist ein Bewohner der Andenstadt Huaraz, die durch die Flutwelle eines Gletschers, der infolge der Klimaerwärmung schmilzt, bedroht wird. Da wagen er und Roda Verheyen das Unmögliche: Im November 2015 reichen sie und ihr peruanischer Mandant eine Klage vor dem Landgericht Essen gegen den Energiekonzern RWE ein – einen der größten CO₂-Emittenten Europas und damit auch Mitverantwortlichen für die Klimakrise und die Bedrohung der Stadt Huaraz. Aber kann so eine Klage überhaupt erfolgreich sein?

Den ersten Prozess verlieren Roda Verheyen und ihr Mandant. Doch als sie beim Oberlandesgericht Hamm in Berufung gehen, gibt das Gericht während der mündlichen Verhandlung zu erkennen, dass Emittenten wie RWE grundsätzlich verpflichtet sind, Betroffene von Klimaschäden in armen Ländern, wie Saúl Luciano Lliuya, zu unterstützen. Die Richter reisen im Sommer 2022 sogar persönlich nach Peru, um zu überprüfen, ob das Haus des Klägers tatsächlich von einer bevorstehenden Flutwelle bedroht wird. Der Prozess dauert an und ist noch nicht gewonnen. Doch angesichts der Aufmerksamkeit und ersten Erkenntnisse ist das Gerichtsverfahren zum Klimawandel ein großer Durchbruch. Saúl Luciano Lliuya wird sogar mit dem Kasseler Bürgerpreis ausgezeichnet.

Weitere Erfolge von Roda Verheyen

Ein weiterer großer Erfolg für Roda Verheyen war die Ausarbeitung einer Verfassungsbeschwerde, die mit dazu führte, dass das Bundesverfassungsgericht im April 2021 das deutsche Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig erklärte. Die aktuellen Klimagesetze würden die Interessen der jungen Generation nicht angemessen berücksichtigen, die das Gericht.

Gemeinsam mit einem deutschen Bauern aus Niedersachsen – Ulf Allhoff-Cramer – und einigen weiteren Kläger:innen, will Roda Verheyen nun auch gegen den Automobilkonzern VW vor Gericht ziehen. Denn aufgrund des Klimawandels stirbt der Wald auch in Deutschland ab und die Ernten fallen Jahr für Jahr magerer aus, was die Existenz des Landwirts hierzulande bedroht. Auf 120 Seiten fordern die im November 2021 eingereichten Klageschriften einen klimagerechten Umbau des weltweit zweitgrößten Autoherstellers.