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Kükentöten verboten: Bringt der neue Gesetzesbeschluss wirklich mehr Tierschutz?

Männliche Küken gelten in der Eierproduktion als Abfallprodukt. Etwa 45 Millionen der flauschigen, kleinen Tiere wurden deshalb bisher jährlich in Deutschland getötet. Das soll sich laut eines Gesetzesbeschlusses des Bundestags ab Januar 2022 ändern. Doch die Alternativen bereiten schon jetzt Probleme und werfen die Frage auf: Sorgt das Verbot wirklich für mehr Tierschutz?

24.01.2022 • 15:26 Uhr

Kükentöten verboten: Bringt der neue Gesetzesbeschluss wirklich mehr Tierschutz?

Warum werden Küken überhaupt getötet?

Die Aufzucht männlicher Brutküken gilt in der Eierbranche als unwirtschaftlich; im Vergleich zu den extra für die Fleischproduktion gezüchteten Masthähnchen wachsen die Bruttiere nicht nur langsamer, sondern setzen auch weniger Fleisch an. Aus diesen Grund wurden männliche Legehennen-Küken in Deutschland bisher mit CO2 betäubt und anschließend getötet. Doch damit soll jetzt Schluss sein – schon 2019 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass das Kükentöten aus wirtschaftlichen Gründen ein Ende finden muss, sobald Alternativen zur Verfügung stehen. 2020 kündigte die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dann ein Gesetz an, mit dem im Mai letzten Jahres der Ausstieg aus dem Kükentöten vom Bundestag beschlossen wurde.

Schnelle Umstellung setzt Geflügelbranche unter Druck

Dieser Beschluss setzt die Geflügelbranche derzeit stark unter Druck – nicht zuletzt durch die Bekanntgabe diverser Discounter und Supermarktketten, ab Januar 2022 nur noch Eier verkaufen zu wollen, welche ohne „Kükentöten“ erzeugt wurden. Die Einzelhandelsbranche erhofft sich davon wohl vor allem einen Imagegewinn; zahlreiche Supermarktketten haben ihr Sortiment tatsächlich bereits zum Jahreswechsel umgestellt.

Was nach einer positiven Entwicklung klingt, sorgt jedoch auch für einige Probleme, erklärt Rudolf Preisinger, Genetiker in der Geflügelbranche und Sprecher des Arbeitskreises Zucht und Vermehrung des Zentralverbands der deutschen Geflügelwirtschaft. Er hält den Ausstieg aus dem Kükentöten für zu ambitiös und zu überstürzt.

Alternative: Geschlechtsbestimmung im Brutei

Auch der Zentralverband befürchtet ein Sterben der deutschen Betriebe, die Legehennen für die Eierproduktion ausbrüten. Schon jetzt ist die Zahl dieser Betriebe auf 20 Stück geschrumpft, vor allem kleinere Unternehmen können sich die Alternative zur Tötung der Küken nicht leisten.

Als solche wird derzeit die "Geschlechtsbestimmung im Brutei" angepriesen. Preisinger, der das Verfahren mitentwickelt hat, hält das Verfahren prinzipiell für sinnvoll, ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht sowie Ex-Ministerin Klöckner. Die Idee: Noch vor dem Schlüpfen wird an Tag acht oder neun der Brutphase durch ein technisches Verfahren bestimmt, ob der Embryo weiblich oder männlich ist. Männliche Embryos können frühzeitig aussortiert und zu Tierfutter verarbeitet werden.

Neue Methode bringt Probleme mit sich

Allerdings bringt die Geschlechtsbestimmung gleich mehrere Probleme mit sich: Zum einen soll das Verfahren ab 2024 nur noch bis zum sechsten Bruttag erlaubt werden, um auszuschließen, dass der Hühnerembryo bereits ein Schmerzempfinden entwickelt hat – das schafft bisher keines der entwickelten Verfahren. Außerdem müssten jährlich rund 100 Millionen Eier mit der neuen Methode untersucht werden – ein massives Kapazitätsproblem. Neben ungelösten technischen Schwierigkeiten und Kostengründen sprechen auch ethische Einwände gegen die Geschlechtsbestimmung. Schließlich wird durch diese die Tötung lediglich auf einen früheren Zeitpunkt verschoben.

Aufzucht oder Hochleistungszucht?

Aus diesem Grund hat sich die Bio-Branche bisher für eine Aufzucht der Bruthähne für die Fleischproduktion entschieden. Allerdings dauert diese etwa dreimal so lang wie die Aufzucht von Masthähnchen und erzeugt am Ende weniger Fleisch – ein höherer Futterverbrauch und mehr CO2-Ausstoß sind die Folge.

Auch der Deutsche Tierschutzbund begrüßt zwar das Kükentöten-Verbot, das Grundproblem sei noch nicht gelöst. Im Gegenteil: Da die getöteten Küken in Deutschland nicht (wie oft behauptet) geschreddert, sondern als Tierfutter an Zoos, Schlangenbesitzer oder Greifvogelauffangstationen weiterverkauft werden, entsteht hier ein Engpass, der dazu führt, dass sich Käufer zukünftig im Ausland eindecken.

Quellen

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/kuekentoeten-verbot-probleme-101.html

https://www.rnd.de/politik/kukenschreddern-verbot-ab-2022-soll-das-toten-mannlicher-kuken-in-deutschland-verboten-werden-YGHSIWMLDFSQC6Z2DAV3YTNPGQ.html

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