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Artenschutz

Artenschutz ist auch Klimaschutz: Wildtiere fördern gesunden Kohlenstoffkreislauf

Wildtiere können beim Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen, weil sie dabei helfen, CO₂ aus der Luft zu binden. Wie das geht, erfährst du hier!

21.12.2023 • 08:20 Uhr

Artenschutz ist auch Klimaschutz: Wildtiere fördern gesunden Kohlenstoffkreislauf

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir nicht nur unsere CO₂-Emissionen reduzieren, sondern auch bereits ausgestoßene Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen. Ohne diese Negativ-Emissionen wird es laut Experten nicht mehr möglich sein, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Um CO₂ aus der Luft zu holen, gibt es zum Beispiel die sogenannte „Direct-Air-Capture“-Technologie (DAC). Hierbei wird Umgebungsluft mit riesigen Ventilatoren angesaugt und Kohlendioxid anschließend mithilfe von chemischen Prozessen aus der Luft entfernt. Das CO₂ kann anschließend zum Beispiel unterirdisch gespeichert werden (Carbon Storage). Dieses Verfahren ist jedoch sehr kostspielig und benötigt viel Energie.

Klimaforschende sehen neben wichtigen Schlüsseltechnologien wie DAC auch die Rolle der Natur als entscheidend für die dauerhafte Reduktion und Einlagerung von CO₂ aus der Atmosphäre. Wälder und Moore leisten hier ganz besondere Arbeit, weshalb Naturschutz und Klimaschutz Hand in Hand gehen müssen. Doch das betrifft nicht nur die Flora, sondern auch die Fauna.

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Wildtiere helfen dabei Kohlendioxid im Boden einzulagern

Auch Tiere können aktiv dabei helfen, Kohlendioxid zu speichern. Aber wie? Jens-Christian Svenning vom Danish National Research Foundation Center for Ecological Dynamics in a Novel Biosphere (ECONOVO) an der Universität Aarhus in Dänemark hat sich die Auswirkungen von großen Land- und Meeresbewohnern auf das Klima genauer angesehen. An den Untersuchungen waren neben dem Ökologen noch 14 weitere Forschende aus insgesamt acht Ländern beteiligt. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Nature Climate Change“ vorgestellt und eröffnen ganz neue Perspektiven, um Klimaschutzmaßnahmen effizienter zu gestalten.

„Vor allem große, pflanzenfressende Wildtiere können helfen, den Kohlenstoffkreislauf zu beleben und große Mengen Kohlenstoff im Boden einzulagern. Tiere reißen den Boden auf der Suche nach Nahrung auf, sie scharren, graben und wühlen, während sie an anderen Stellen den Boden verdichten, indem sie in großen Gruppen darübertrampeln. Außerdem fressen sie die Vegetation an der einen Stelle weg und scheiden die darin enthaltenen Nährstoffe an einer anderen wieder aus. Nicht zuletzt fördern sie die Fortpflanzung von Bäumen, indem sie die Samen transportieren“, erklärt Jens Christian Svenning.

Das Fazit: Wildtiere fördern also das Wachstum neuer Vegetation und betreiben unbewusst Landschaftspflege, was zur Einlagerung von Treibhausgasen im Boden führt.

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Klimaschutz: Ohne die Natur wird es nicht funktionieren

Der Ökologe betont, dass der Beitrag von gesunden Ökosystemen für das Klima, die wiederum von zahlreichen Wildtieren abhängen, häufig unterschätzt wird. Nach Berechnungen des Klimarates (Sechster IPCC-Bericht 2023) haben Wälder, Moore, Ozeane und Savannen allein in den vergangenen zehn Jahren mehr als die Hälfte der von Menschen erzeugten CO₂-Emissionen gespeichert. In Europa werden ganze zehn Prozent aller Treibhausgas-Emissionen nur durch die Wälder neutralisiert.

Und dafür brauchen wir Wildtiere. Experimentelle Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Gegenden mit bestimmten Tierarten bis zu 250 Prozent mehr Kohlendioxid in Pflanzen, Böden und Sedimenten speichern, als Regionen ohne diese Tiere. Zu den wichtigsten Wildtieren, die zum Klimaschutz beitragen, gehören Meeresbewohner wie Wale und Haie, große Pflanzenfresser wie Gnus, Wisente, Wildrinder, Wildpferde, Moschusochsen und Efanten, aber auch Landraubtiere wie Wölfe und Luchse.

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Berechnungen zufolge könnte die Stabilisierung von stark dezimierten Populationen bestimmter Wildtiere dafür sorgen, dass jedes Jahr 6,41 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zusätzlich aus der Atmosphäre geholt werden. Global gesehen hätte der Schutz der Fischbestände in den Weltmeeren den stärksten positiven Einfluss auf das Klima (führt zu CO₂-Speicherung in Meeresbodensedimenten), gefolgt von großen Pflanzenfressern an Land. Letztere benötigen für eine stabile Population jedoch wieder die Bejagung durch große Raubtiere. So werden zum Beispiel Rehe durch Wölfe und Luchse in Bewegung gehalten, was den Verbiss von jungen Bäumen reduziert.

Wie Kühe unsere Moore am Leben halten: Ein Beispiel aus Deutschland

Nicht nur Wildtiere, sondern auch Weidetiere können einen großen Beitrag für das Klima leisten. Ein Beispiel aus dem Küstenüberflutungsmoor nahe Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern lässt aufhorchen. Hier wird ein Tier zum Klimaretter, von dem wir es so nicht erwartet hätten: das Rind. Kühe gelten als starke Treibhausgasemittenten, weil sie während ihrer Verdauung große Mengen an Methan ausstoßen. Doch hier sind sich die Forschenden einig: Ohne die weidenden Kühe, würde es das Moor gar nicht geben.

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Wissenswert: Die Moore dieser Welt binden doppelt so viel CO₂ wie alle Wälder zusammen.

Warum ist das so? Die Kühe sind in diesem Fall entscheidend für einen gesunden Naturkreislauf. Sogenannte Küstenüberflutungsmoore werden – wie der Name schon sagt – regelmäßig überflutet. Der Torfkörper, der entscheidend für die Einlagerung von CO₂ ist, kann dabei nur erhalten bleiben, wenn er regelmäßig von den weidenden Rindern angedrückt wird, damit keine Luft in ihn eindringt. Auf diese Weise wird das Moor nicht nur erhalten, ja es wächst sogar und nimmt dabei immer mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf!

Angesichts des hohen CO₂-Fußabdrucks von Fleischprodukten fragen sich viele zu Recht, wie zeitgemäß Nutztierhaltung überhaupt noch ist. Das Moor nahe Greifswald zeigt jedoch, wie wichtig Nutztiere auch als Landschaftspfleger sein können, was schlussendlich dem Klimaschutz zugutekommt. Hier kannst du dir eine kurze Dokumentation aus der Green Seven Week von ProSieben zu diesem Thema anschauen und alles in der Praxis sehen.