Das Elektro-Motorrad – Die Nische in der Nische
Elektromobilität hat in den letzten Jahren einen nicht zu leugnenden Zuwachs erleben können. Die Ladestruktur von Elektromotorrädern wird sukzessive und zunehmend konsequent ausgebaut. Förderungen und Subventionen erleichtern den Einstieg. Tesla ist quasi zum Symbol für eine neue Mobilität geworden – inklusive explodierendem Aktienkurs. Etliche Autohersteller haben voller Stolz den Ausstieg aus den Verbrennern angekündigt, teilweise wurden diesbezüglich sogar schon Zeitfenster in Aussicht gestellt. In den Städten sieht man vermehrt E-Scooter, Pedelecs sowie S-Pedelecs. Doch das E-Motorrad fristet immer noch ein Schattendasein. Es ist die Nische in der Nische. Aber warum ist das eigentlich so?
23.04.2021 • 14:53 Uhr
Wie ist der technische Stand beim Elektro-Motorrad?
Während sich alle anderen Formen der Mobilität mehr und mehr der Elektromobilität zuzuwenden scheinen, ist diese Entwicklung bei Motorrädern kaum zu verzeichnen. Die Auswahl an Modellen ist relativ überschaubar. Dieses Defizit wird sichtbar, da wenige Händler E-Motorräder überhaupt anbieten. Ein Teil des Problems besteht darin, dass E-Motorräder sich zwar durchaus technisch zuletzt weiterentwickelt haben. So wurden beispielsweise die Reichweite eines E-Motorrades besser und die Preise ein wenig günstiger. Von einem ähnlichen Wachstumsimpuls wie der der Elektroautos fehlt weiterhin jede Spur.
Stattdessen brummen weiterhin die Verbrenner auf dem Motorradmarkt, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie indirekt gefördert werden. Einen Motorradführerschein zu machen ist heutzutage leichter als je zuvor. Praktisch: Bereits ein normales Motorrad verbraucht und emittiert erheblich weniger CO2 als die meisten Autos mit Verbrenner. Das heißt aber auch, dass der Innovationsdruck auf diesem Markt nicht so hoch ist.
Bislang gibt es nur zwei Hersteller, die sich seit einigen Jahren bzw. vom Anbeginn ihrer Entstehung an voll auf Elektromotorräder spezialisiert haben und eine größere Auswahl an Modellen bieten: Zero und Energica. Unter den traditionellen Motorradherstellern haben sich KTM und Harley Davidson bereits mit vereinzelten Elektromotorrädern hervorgetan. So brachte Harley Davidson das E-Motorrad „LiveWire“ heraus, das mit sportlich modernem Look daherkommt und so nichts von einem Elektro-Chopper hat, den hier manch einer vielleicht erwartet. Aber viele der „aktuellen“ Modelle gab es schon vor Jahren und neue Motorräder kommen nur spärlich auf den Markt
Warum es so wenige E-Motorräder gibt
Auf Außenstehende mag dieser Mangel an Marktdynamik befremdlich wirken. Immerhin möchte man meinen, dass ein Motorrad sich baulich bestens für eine Adaption der Elektromobilität anbietet. Schließlich wiegt es viel weniger als ein Auto. Doch das ist nur teilweise korrekt. Auch ein Motorrad wiegt gut und gerne über 200 Kilogramm und anders als bei einem Pedelec oder S-Pedelec leistet der Motor die alleinige Arbeit. Hinzu kommt, dass ein E-Motorrad deutlich höhere Geschwindigkeiten erreicht. Es sind viel mehr Power und Masse im Spiel. Gleichzeitig bleiben aber schon allein aus sicherheitskritischen, fahrdynamischen und aerodynamischen Gründen die Dimensionen beim Elektromotorrad sehr ähnlich wie beim konventionellen Motorrad.
Somit ist auch ein E-Motorrad zwar sehr viel leichter als ein Auto, aber immer noch bedeutend schwerer als jedes andere Zweirad. Gleichzeitig sind die Platzverhältnisse und somit die Frage, wo sich überhaupt ein Akku unterbringen lässt und wie groß sowie schwer dieser sein darf, klar umrissen. Dadurch wird die Reichweite zum limitierenden Faktor. 200 Kilometer Reichweite sind bei einem serienmäßigen Elektromotorrad beim jetzigen Stand der Technik ein selten erreichtes Maximum, wohingegen 200 Kilometer Reichweite für ein konventionelles Verbrenner-Motorrad wenig wären. Maschinen mit 350 Kilometer Reichweite sind bei den Verbrennern durchaus keine Seltenheit. Durch die geringe Reichweite und das vergleichsweise langsame „Tanken“ sind Elektromotorräder einfach noch nicht ausgereift genug, die Nische als idealisiertes Freizeitfahrzeug für ausgedehnte Touren zu besetzen, die das Motorrad hierzulande meist einnimmt.
Fleißpunkte gibt es beim Design
Wenn es um das Design geht, sind so manche Elektromotorräder echte Hingucker. Einige Modelle, wie beispielsweise das N4 von Nito, das Emflux Motors One oder das vollständig recycelbare Johammer J1.150, sehen so aus, als wären sie einem Science-Fiction-Film entfahren. Möglich machen es die neu gewonnenen Freiheiten, die in der Gestaltung eines Elektromotorrads möglich sind. Da etliche Teile des Verbrennerantriebs wegfallen (Auspuffanlage, der Motor wird kleiner, kein Tank, keinerlei Benzinleitungen etc.), können sich die Gestalter bei E-Motorrädern mehr Freiheiten nahmen. Wer also ausgefallene oder futuristische Motorräder mag, der findet bereits ein paar echte Optionen auf dem Markt für Elektromotorräder.
Reichweite als größtes Makel
Alltagstauglich sind die Elektromotorräder schon längst, zumindest in Hinblick auf typische Reichweiten für Zweirad-Pendler denkt. Doch „Alltagstauglichkeit“ ist selten das Leitkriterium für Motorrad-Fans. Motorräder sind für die meisten Nutzer gleichbedeutend mit Freiheit, die gerne auf ausgedehnte Touren, nicht selten mit Gleichgesinnten, ausgelebt wird. Dafür werden einige Kilometer Strecke zurückgelegt.
Diesem Nutzungsschema werden serienmäßige Elektromotorräder noch nicht gerecht. Die Reichweiten liegen meist bei um die 150 bis 250 Kilometer und können gerade bei rasanter Fahrweise auch erheblich niedriger ausfallen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass alle 60 bis 90 Minuten wieder 15 Minuten geladen werden muss, was für einen Akku auf Dauer auch nicht gesund is.. Bei einem Kostenpunkt von oftmals um die 15.000 bis 20.000 Euro und mehr finden sich da, wenig überraschend, kaum Abnehmer.
Gibt es Licht am Horizont?
So lange die Leistungsdaten von serienmäßigen Elektromotorrädern nicht jenen von konventionellen Motorrädern wenigstens sehr nahe kommen, insbesondere mit Blick auf die Dynamik zwischen Reichweite und Geschwindigkeit, werden nur sehr wenige Biker auf das Elektromotorrad umsteigen. Wenn Alltagstauglichkeit im Mittelpunkt steht, wird stattdessen einfach ein E-Roller, Pedelec oder S-Pedelec geholt. Das reicht für den typischen Zweirad-Pendler meist aus und kostet weit weniger in der Anschaffung.
Beim jetzigen Stand der Technik sind E-Motorräder eher etwas für die Stadt bzw. für Kurzstrecken. Und das kommt dem angedachten Nutzungsschema, das sich um Wochenausflüge und lange Road Trips dreht, einfach nicht entgegen. Darum braucht der Markt ein Elektromotorrad, das von den Leistungsdaten her und hinsichtlich des typischen Verwendungszwecks für Motorräder tragfähig ist. Und das ist insbesondere durch limitierende Faktoren in der Batterietechnik sowie den diesbezüglich überschaubaren Platzverhältnissen, die bei einem Motorrad zur Verfügung stehen, noch nicht gegeben. Somit muss möglicherweise erst der nächste große Sprung in der Batterietechnik folgen, der sich anschließend auch kompakt umsetzen lassen muss.
Quellen
https://www.homeandsmart.de/elektromotorrad-test-vergleich
https://www.motorradonline.de/elektro/marktueberblick-elektromotorraeder-deutschland-e-roller/
https://energyload.eu/elektromobilitaet/elektromotorrad/elektromotorraeder/
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