Bauen ohne Sand: Nachhaltige Alternativen für einen erschöpften Rohstoff
Sand zählt zu den wichtigsten Ressourcen auf der Welt. Ohne ihn wäre ein Bauvorhaben kaum möglich. Doch Sand wird knapp – und Forschende suchen nach Alternativen.
24.01.2024 • 09:01 Uhr
Im Jahr 2021 importierte China Sand im Wert von 328,5 Millionen US-Dollar und belegte damit Platz eins. In Europa ist Belgien der größte Abnehmer von Sand – mit einem Wert von 155,8 Millionen US-Dollar im selben Jahr. Und die Nachfrage wächst stetig – jährlich um etwa 5,5 Prozent allein für die Betonherstellung. Denn Sand kommt vor allem in der Bauindustrie zum Einsatz. Doch dieser besondere Rohstoff wird nicht nur zum Bauen verwendet. Sand befindet sich in vielen Produkten, in denen wir ihn nicht vermuten: Zahnpasta, Computerchips, Klebstoff und sogar Solarzellen.
Laut einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) werden jedes Jahr rund 50 Milliarden Tonnen Sand und Kies verbraucht – mit steigender Nachfrage. Das übertrifft die Zahl an Gütern, die in Deutschland insgesamt jährlich transportiert werden, um mehr als 16 Mal.
Umweltfolgen: Warum Sand kein nachhaltiger Rohstoff ist
Das Problem: Sand ist eine begrenzte Ressource und – sehr wichtig – Sand ist nicht gleich Sand. Wüstensand zum Beispiel kann nicht zur Betonherstellung verwendet werden, da der Wind die Sandkörner zu rund geschliffen hat. Deshalb wird Sand vor allem aus dem Meeresboden geholt – er wird damit sozusagen zum marinen Rohstoff. Aber auch oberhalb der Grundwasserlinie wird Sand in großem Stil am Festland oder an Flussufern abgebaggert, wodurch Landschaften zerstört werden, Flüsse in Meeresnähe versalzen und Uferbereiche zunehmend einbrechen.
Auch die massenhafte Sandentnahme am Meeresboden bringt vielfältige Umweltauswirkungen mit sich. Mit riesigen Saug- aber auch Greif- und Schaufelbaggern werden enorme Sedimentmengen bewegt. Aber diese Sedimente vom Meeresgrund stecken voller Leben. Vermutlich befinden sich zehntausende Arten von Würmern, Krebstieren, Schnecken und Muscheln zwischen den einzelnen Sandkörnern. Wissenschaftler nennen diese besondere Lebensgemeinsaft die „Interstitialfauna“ und ihren Lebensraum das „Sandlückensystem“.
Nachdem ein bestimmter Teil des Meeresbodens abgebaggert wurde, dauert es mehrere Jahre, bis sich das Ökosystem langsam wieder erholt. Es ist sogar möglich, dass sich der Lebensraum nie wieder regenerieren wird. Auch in Nord- und Ostsee werden Abbaugenehmigungen für marinen Sand und Kies ausgegeben.
Bauen ohne Sand: Diese 3 Alternativen gibt es
Da ein Rohstoff wie Sand für viele Branchen unerlässlich ist, suchen Forschende händeringend nach Alternativen. Hierfür gibt es bereits mehrere interessante Ansätze:
1. Müllverbrennungsasche
Auf deutschen Deponien befinden sich riesige Mengen an Müllverbrennungsasche und -schlacke. Jedes Jahr kommen mehr als fünf Millionen Tonnen hinzu. Die Entsorgung ist schwierig, da die Asche zum Beispiel Schwermetalle, Chloride und Sulfate enthält. Als Sandersatz in Beton ließe sie sich jedoch grundsätzlich verwenden, weshalb unterschiedliche Einrichtungen bereits daran forschen, wie Asche und Schlacke am besten für den Einsatz in der Baubranche aufbereitet werden könnte.
Hierzulande strebt das Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) bereits eine Zulassung von Müllverbrennungsasche und -schlacke beim Deutschen Institut für Bautechnik an. Hierzu wurde zum Beispiel das öffentliche Projekt namens „ASHCON“ an der TH Köln mithilfe von staatlicher Förderung ins Leben gerufen, welches die Nutzung von Müllverbrennungsasche als Ausgangsstoff bei der Betonherstellung erforscht – denn diese Asche wird immer in reichlichen Mengen vorhanden sein.
„Das ist eine Quelle, die nicht versiegt. Denn solange es Menschen gibt, wird es Müll geben; solange es Menschen gibt, wird es auch Müllverbrennungsschlacken geben“, erklärt Volker Thome vom IBP.
2. Kaffeesatz
Im Durchschnitt trinkt jeder Deutsche vier Tassen Kaffee am Tag. Der Kaffeesatz landet dabei im Hausmüll. Doch er könnte ein zweites Leben bekommen. Australische Wissenschaftler haben in einer Studie erforscht, wie sich Kaffeesatz sinnvoll weiterverwerten ließe.
Dafür wurde der Kaffeesatz im Vakuum auf 350 Grad Celsius erhitzt, wodurch eine Biokohle entstand. Die Forschenden ersetzten dann bestimmte Mengen des Sandes in Beton durch diese Kaffee-Biokohle – bis zu 20 Prozent. Dabei wurde ein Vorteil dieses Materials deutlich: Durch den Kohlenstoffgehalt und die Porenstruktur speichert die Biokohle Wasser und kann dieses bei Bedarf an den ausgehärteten Beton abgeben. Auf diese Weise können Mikrorisse, die normalerweise im Verlauf des Austrocknungsprozesses entstehen, verhindert werden.
Das Problem mit dem Kaffeesatz ist die Verwendung in großem Stil. Biokohle aus Kaffee bietet kaum eine skalierbare Lösung für eine zuverlässige Sandalternative – zumindest noch nicht. Deshalb stellt zum Beispiel auch Johannes Kreißig vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) die Verwendung von Kaffeesatz in der Baubranche infrage.
„Selbst wenn aller Kaffeesatz gesammelt wird, kann damit nur ein verschwindend kleiner Bruchteil des gesamten Bausandbedarfs gedeckt werden. Zudem sind die mit den Transporten verbundenen CO₂-Emissionen in den Blick zu nehmen“, erklärt Johannes Kreißig von der DGNB gegenüber der TAZ.
3. Gebrauchte Windeln
Noch skurriler als die Verwendung von Kaffeesatz in der Baubranche klingt wohl dieser Vorschlag: gebrauchte Windeln reinigen, desinfizieren, schreddern und in Beton einmischen. Genau das haben Forschende aus Indonesien im Rahmen einer Studie getan. Die Vorteile: gebrauchte Windeln sind in großen Mengen vorhanden und durch die Weiterverwertung dieser würden Mülldeponien entsprechend entlastet werden. In den Experimenten der Wissenschaftler konnten bis zu 9 Prozent des Sandes in Beton durch Windeln ersetzt werden, ohne dass die Qualität des Betons vermindert war.
Dieses „Downcycling“ birgt jedoch Risiken. Die in Windeln enthaltenen Kunststoffe lassen sich nicht ohne Weiteres von dem Beton trennen, wenn dieser irgendwann recycelt werden muss. Außerdem ist die Aufbereitung der Windeln sehr energieintensiv.
„Wir basteln uns gerade die Entsorgungsproblematik der Zukunft, wenn verschiedene Stoffgruppen, hier mineralische und kunststoffbasierte nicht getrennt werden“, befürchtet Annette Hillebrandt, Architektin und Professorin für Baukonstruktion an der Bergischen Universität Wuppertal.
Sand-Alternativen: Das Fazit
Es gibt viele ambitionierte Projekte, die erforschen, inwieweit sich Sand vor allem in der Baubranche ersetzen ließe, da der Abbau von Sand zu Umweltproblemen führt. Einige Ideen sind jedoch in der Praxis bzw. in großem Maßstab nicht umsetzbar und bergen neue Umweltrisiken. Auf der anderen Seite existieren bereits vielversprechende Ansätze. So könnte die Verwendung von Müllverbrennungsasche als Sandersatz in Beton auch hierzulange vielleicht schon sehr bald eine Zukunft haben. Auf diese Weise könnten die Mülldeponien entlastet werden, während die Umwelt in Bezug auf den Sandabbau verschont bliebe.
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