Schwellenwerte überschritten: Die Erde als kranker Patient

Die Überschreitung einer planetaren Grenze markiert eine kritische Schwelle für erheblich steigende Risiken. Forscher schlagen nun Alarm: Sechs der neun definierten planetaren Schwellenwerte wurden nun deutlich übertroffen.

24.09.2023 • 19:15 Uhr

Schwellenwerte überschritten: Die Erde als kranker Patient

Die zunehmende Belastung unseres Planeten durch den Menschen hat alarmierende Auswirkungen. Laut einer aktuellen Studie wurden bereits sechs der neun definierten planetaren Schwellenwerte deutlich übertroffen.

Dazu gehören zum Beispiel die Erderwärmung, die Zerstörung von Lebensräumen und die Verschmutzung der Umwelt mit gefährlichen Stoffen wie Mikroplastik, Pestiziden und radioaktivem Abfall.

Klimawandel: „Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht"

„Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht", wird der Co-Autor Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in einer Mitteilung des Instituts zitiert. „Wir wissen nicht, wie lange wir entscheidende Grenzen derart überschreiten können, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen."

Die Überschreitung einer planetaren Grenze markiere eine kritische Schwelle für erheblich steigende Risiken, erläutert Erstautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen: „Wir können uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen und die planetaren Grenzen als eine Form des Blutdrucks. Ein Blutdruck von über 120/80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko."

Schwellen 2009 erstmals definiert

Im Jahr 2009 wurden diese planetaren Schwellen erstmals definiert, um einen sicheren Handlungsspielraum für die Menschheit darzustellen. In ihrer neuesten Untersuchung hat das Forschungsteam um Rockström und Richardson den Zustand der Teilbereiche, zu denen die Nutzung von Süßwasser, die Funktion des Biosphäre, das Klima oder die Aerosolbelastung der Atmosphäre gehören, bewertet.

Insbesondere bei der Erderwärmung und beim Schutz der Biosphäre bestehen dringender Handlungsbedarf, schreibt das Team im Fachjournal „Science Advances" und verweist etwa auf das Artensterben und die Zerstörung von Lebensräumen. „Neben dem Klimawandel ist die Funktionsfähigkeit der Biosphäre die zweite Säule der Stabilität unseres Planeten", sagt Co-Autor Wolfgang Lucht vom PIK. "Und wie beim Klima destabilisieren wir derzeit auch diese Säule."

Die Einführung neuer Substanzen durch den Menschen, einschließlich Chemikalien wie Mikroplastik, Pestiziden und radioaktivem Abfall, hat kritische ökologische Schwellenwerte überschritten. Obwohl der globale Süßwasserverbrauch ebenfalls einen kritischen Punkt erreicht hat, wird er als weniger dringlich angesehen.

Die globale Verschmutzung der Atmosphäre durch Partikel bleibt derzeit innerhalb sicherer Grenzen, obwohl bestimmte Gebiete, insbesondere in Südasien, bereits die kritischen Werte überschreiten. Das Phänomen der Ozeanversauerung und der Abbau der Ozonschicht in der oberen Atmosphäre werden von den Wissenschaftlern noch als beherrschbar eingestuft.

Klimawandel: Es gibt auch Grund für Optimismus

Die Fortschritte bei der Ozonschicht in den 1990er Jahren dienen dem Forscherteam als Beispiel für Optimismus in Bezug auf andere Umweltprobleme. In jenem Jahrzehnt überstieg der Ozonschichtabbau kritische ökologische Grenzen. „Aber dank globaler Initiativen, die durch das Montrealer Protokoll erreicht wurden, wird dieser Grenzwert aktuell nicht mehr überschritten", betont Richardson. auf dem Bild sieht man eine Vielzahl an Personen und hochgehaltene Plakate zum Thema Klimaschutz

Das Gute: Wenn eine Belastungsgrenze überschritten sei, gebe es dennoch Chancen, die Situation zu verbessern, wie das Team betont. Ein Beispiel hierfür ist die Erderwärmung und die Lösung durch Aufforstung. Wenn es gelingt, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf 450 Teilchen pro Million (parts per million, ppm) zu beschränken - aktuell sind es 417 ppm - und den Wald in borealen und tropischen Regionen nicht unter 60% seiner ursprünglichen Bewaldung schrumpfen zu lassen, könnte die Erderwärmung deutlich gebremst werden.

„Dann deutet die Simulation auf einen durchschnittlichen Temperaturanstieg über dem Land von 1,4 Grad bis zum Jahr 2100 hin", heißt es. Ein begrenzter Temperaturanstieg wäre demnach noch möglich, obwohl viele Wissenschaftler skeptisch sind, dass das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, noch erreicht werden kann.