Mehr Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie: Das Ende der Ledersitze?

Leder spielt in der Automobilindustrie weiterhin eine große Rolle. Trotz des anhaltenden Trends zu mehr Nachhaltigkeit wollen viele Autofahrerinnen und Autofahrer Ledersitze in ihrem Fahrzeug nicht missen. Vor allem im Premiumbereich gehören für viele edle Tierhäute einfach dazu. Nun endlich gehen die ersten Automobilhersteller dazu über, nachhaltigeres Leder zu verarbeiten.

14.02.2022 • 09:17 Uhr

Mehr Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie: Das Ende der Ledersitze?

Autor: Moritz Nolte

Die Autoindustrie verbrauche etwa 20 Prozent der weltweit verfügbaren Tierhäute für ihre Interieurs, kritisierte Frank Schmidt von der Tierrechtsorganisation Peta bereits 2019 im Spiegel. Die Kritik: „Unvorstellbar viele Tiere“ würden in Schlachthöfen getötet, deren Häute zu Leder verarbeitet werden. Die Produktion von tierischem Leder habe zudem katastrophale Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt. Die Lederproduktion trage etwa in großen Teilen zur Zerstörung des Amazonasgebiets bei.

Lederproduktion hat „katastrophale Auswirkungen auf Klima und Umwelt“

Ein weiteres Problem: Die Gerbung des Leders. „Die Häute werden meistens in Fässern mit Wasser, Chromsalzen und Gerbstoffen übergossen, um sie stabiler und weicher zu machen und farbechtes Leder zu erhalten“, teil PETA auf seiner Webseite mit. „Wenn bei der Verarbeitung veraltete Techniken zum Einsatz kommen oder unsauber gearbeitet wird, kann noch vor der Fertigung eine krebserregende Form von Chrom entstehen. In Entwicklungsländern fließen die teilweise mit Chrom, Blei, Arsen und Säuren belasteten Abwässer direkt in Flüsse und verunreinigen das Grund- und somit auch das Trinkwasser sowie den Lebensraum zahlreicher Tiere.“
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Bentley und BMW wollen nachhaltigeres Leder

Dennoch wollen die meisten Automobilhersteller nicht auf Leder verzichten. „Leder wird von unseren Kunden – je nach Modell und Weltregion - weiterhin nachgefragt und hat einen hohen Stellenwert im Premiumsegment“, sagt etwa Nadine Philipp, Leiterin Nachhaltigkeit in der Lieferkette bei der BMW Group. Auf Tierhäute will BMW deshalb weiterhin nicht verzichten. Dennoch bemühen sie sich in München um mehr Nachhaltigkeit. Aus diesem Grunde ist BMW der Leather Working Group (LWG) beigetreten – nach Bentley übrigens erst der zweite Automobilbauer. In der gemeinnützigen Organisation ist nach eigenen Angaben rund ein Viertel der weltweiten Lederproduzenten, von Gerbereien über lederverarbeitende Industrien und Verbände bis hin zu Händlern und Abnehmern vertreten.

Die LWG hat sich die verantwortungsvolle Lederbeschaffung auf die Fahnen geschrieben. Dafür definierte die Leather Working Group spezielle Audit-Zertifizierungsstandards, die eine unabhängige und transparente Bewertung ermöglichen. Das Audit soll insbesondere die Nachverfolgbarkeit der Lederressourcen beurteilen und die beteiligten Gerbereien in Bezug auf Umweltaspekte, Produktionsabläufe und soziale Standards überprüfen.

Der Beitritt der Münchner steht im direkten Zusammenhang mit der unternehmerischen Ausrichtung der BMW Group: Der Konzern hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die „nachhaltigste Lieferkette der gesamten Automobilindustrie“ aufzubauen. Die Beschaffung von Leder aus zertifizierten Betrieben sei ein wichtiger Baustein auf dem Weg dorthin. Darüber hinaus bietet BMW wie viele andere Automobilhersteller schon heute lederfreie Alternativen wie Textilausstattungen, Alcantara oder Sensatec an. Außerdem forscht das Unternehmen an ressourcenschonenden Lederalternativen.

Volvo streicht Leder ab 2030 komplett aus seinem Programm

Auch Volvo arbeitet an Lederalternativen. Als Lederersatz haben die Schweden das Textil Nordico entwickelt, das zum Teil aus recycelten Weinkorken und Plastikflaschen besteht. Dieses und andere Ersatzmaterialien soll bei allen zukünftigen Elektro-Modellen zum Einsatz kommen. Schließlich will Volvo für seine E-Modelle gar keine Lederausstattung mehr anbieten. Und weil die Schweden ab 2030 nur noch E-Autos anbieten wollen, werden Tierhäute im Interieur bei Volvo noch in diesem Jahrzehnt Geschichte sein.

Bilder: BMW